Aachener Kraft-
und Streichelworte
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Öcher Platt – Aachener Kraft- und Streichelworte

Von Dr. Peter Kickartz (auszugsweise – mit freundlicher Genehmigung des Autors)

Aachener haben ein ganz eigenes Verhältnis zu ihren Kraft- und Schimpfworten. Ein Kraftwort drückt eher die Kraft der Herzlichkeit aus. Was in anderen Landstrichen den Gang zum Schiedsmann zur Folge hat,  k a n n  für den Öcher eine Streicheleinheit voller Frohsinn sein. Allerdings gehören die Aachener Streichelworte in den Mund der Aachener und klingen gefällig nur im Wohlklang der Aachener Mundart. Ihn konnte man früher, in der Eisenbahn aus Richtung Köln sich nähernd, von den zusteigenden Fahrgästen ab Düren erlauschen. Aus dem Mund eines Westfalen wirkt möglicherweise grausam, was den Lippen eines Aacheners fröhlich entschwebt.

Freilich scheint über den liebevoll – freundlichen Gebrauch so manchen Wortes auch in Aachen und seiner Umgebung kein vollständiges Einvernehmen zu bestehen. So beklagte sich kürzlich einer meiner ehemaligen Klassenkameraden – wir sind allesamt um die 70 Jahre – darüber, wie ihn einer der Unsrigen in einer Gaststätte in aller Öffentlichkeit begrüßt habe: „Ah, au Banan, lang net mieh jesieh!“ – So habe ihm dieser zugerufen und umarmt – höchst ungehörig. Ich teile seine Ansicht, musste mir aber von anderen Klassenkameraden und Freunden, eingeborenen Aachenern, sagen lassen, so begrüßte man sich durchaus unter guten Freunden.

Meine Mutter, in Wittgenstein mit ihrer Wittgensteiner Mundart aufgewachsen und mit einem Öcher verheiratet der sein Platt und dessen Kraft- und Streichelworte liebte, pflegte zu warnen: „Sprich nie einem Aachener etwas nach, selbst wenn Du glaubst, es verstanden zu haben. Wie recht sie hatte!

Und so halte ich denn einige Kraft- und Streichelworte des Aachener Sprachschatzes fest, wie ich ihn kennengelernt habe. Vollständigkeit ist nicht angestrebt und kann wegen des reichen Bestandes und der Aufgeschlossenheit der Aachener für Neuerungen auch nicht erwartet werden. Ob ich bei der geschriebenen Erfassung des Gesprochenen stets das Richtige getroffen habe, weiß ich nicht, nicht zuletzt, weil unsere Gewährsleute sich mit Genuss nicht nur dem Inhalt, sondern auch dem Lautbild ihrer herzlichen Beziehungspflege hingaben. 

Rat gesucht habe ich in dem Wörterbuch der Öcher Mundart, Karl Allgeier, Meinolf Bauschulte, Richard Wollgarten, Neuer Aachener Sprachschatz auf der Grundlage des Werkes von Will Hermanns, 1. Auflage, herausgegeben vom Verein Öcher Platt e.V. 2010.

Dieses Werk hat einen beeindruckenden Vorgänger: Will Hermanns, Aachener Sprachschatz, Wörterbuch der Aachener Mundart, Bd. 1 (A-J) L II, S. 1 – 268 und Bd. 2 (K – Z) S. 269 – 596, Aachen, Mayer 1970. Überarbeitet und herausgegeben von Rolf Lantin. Dieser Herausgeber Rolf Lantin war mein Deutsch-, Geschichts- und Philosophielehrer am Kaiser-Karls-Gymnasium (in Aachen); er war einer der wenigen Lehrer unserer Abiturientia (1961), den nicht nur ich, sondern alle Klassenkameraden einmütig hochgeschätzt und verehrt haben.

Gewiss auch in Erinnerung an ihn, aber gerade auch wegen der eigenen, besonderen Qualität dieses Werkes, habe ich es oft parallel beigezogen.

Dabei habe ich aus diesen Werken Übertragungen ins Hochdeutsche übernommen und auch den Wortbestand meiner eigenen Erfahrung ergänzt. Mit einem Wort aus dem Öcherdütsch verbinden wir zwar oft eine Vorstellung, aber keine Übertragung ins Hochdeutsche. Das sei an zwei Beispielen erläutert:

„Elftrappejesech“ ist das Gesicht, das der Delinquent zu machen pflegte, der an den elf Treppenstufen stand, die ehedem am Rathaus hinauf zum Galgen führten, und der dort das Urteil erwartete. „Elftreppengesicht“ hat heute selbst für Öcher nicht mehr diesen Bezug und so übersetzt das Wörterbuch angemessen mit „Armesündergesicht!.

Unter einem „Tünnes“ oder „Fottes“ stellt man sich zwar etwas vor, die Wörter sind aber kaum ins Hochdeutsche zu übersetzen, und so habe ich denn aus dem Wörterbuch übernommen, was dort zu finden ist: „Kleingeistiger“ oder „Tölpel“. Die mundartlichen Worte sind freilich durchaus ausdrucksstärker.

…..

Die Wiedergabe der Kraft- und Streichelwörter ist besonders von ihrem Gebrauch durch meinen Vater, den Bäckermeister Johann Wilhelm Kickartz, Jahrgang 1912, geprägt. Liebevoller Anhänger der Aachener Mundart war er ein Meister im Gebrauch dieser Wortgattung. Ich möchte hier einflechten: wohl alle Aachener – ich will sagen, alle Aachener Mundartsprecher – bringen ihre Hochschätzung, bis hin zur Verehrung entgegen. Auch das Herz meines Schwiegervaters, Direktor einer großen Bank, schlug in Wonne höher, und seine Augen glänzten, wenn er sich damit befasste. Und ich kenne keinen Aachener, dem es nicht ähnlich ergeht.

Es gibt überdies einige Veröffentlichungen zu diesem Thema, die von Zuneigung geprägt sind. Selbst mir öffnet sich meistens das Gemüt, wenn ich an die heiteren oder trüben Augenblicke denke, in denen mein Vater seine Seelenstimmung durch eines dieser Sprachgeschöpfe offenbarte – selbst mir, einem gebürtigen Wittgensteiner mit Wittgensteiner Platt als Muttersprache, der Öcher Platt zwar (fast) versteht, aber, was den aktiven Gebrauch angeht, allenfalls stammelt. Und so mag denn die folgende Sammlung auch als Erinnerung eines Zugezogenen – in Wittgenstein würde man sagen: vo nem Zügelöfene“ – an die zumeist eher heiteren Augenblicke gelten, in denen solche Kraft- und Streichelworte ihren Reiz entfalten.

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Pflichtgemäß möchte ich dem geneigten Leser wie erforderlich – gewissermaßen im Kleingedruckten noch eine Warnung anvertrauen. Meine Einschätzung der Aachener Kraft- und Streichelworte eher dem rheinischen Frohsinn zu entspringen als der Beleidigung ( § 185 StGB) oder gar der üblen Nachrede (§ 186 ebd.) zu dienen, entspricht wahrscheinlich nicht jedermanns Betrachtungsweise. Und so möchte ich mich abschließend der Lebensweisheit meiner Mutter anschließen: „Sprich nie einem Aachener etwas nach, selbst wenn Du davon überzeugt bist, etwas gut und richtig verstanden zu haben.“ (Die besonders dann jedenfalls nicht, wenn Du kein Öcher bist.)

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Wer Ergänzungen beisteuern kann, kritische Bemerkungen oder Zuspruch anbringen möchte sollte seinem Drang folgen. Das Kontaktformular und meine Email-Adresse stehen ihm zur Verfügung.

A 
Au, aue     alter, alte (zur Verstärkung anderer Kraftworte); gelegentlich: ooet
B 
Barekopp(Bar-Steingut-topf ohne Ohren), Hohlkopf
Bavian(Pavian), plumper Kerl, Großmaul, Quatschkopf
Beddelsmannarmseliger Mann
Beddelsmatantarmseliges Weib
BeddelswiivBettelweib (abwertend)
BehäitskriemerGroßsprecher, Prahlhans, Aufschneider Phantast (Behäi – Prahlerei, Geschwätz, Aufschneiderei, „Wind machen“), ähnlich: Behäitskopp, Behäitsmächer, Behäitsmull, Behäitsquispel
BjaadekoppIrrer (ejjen Bejaade, im Irrenhaus (der Alexianer))
Beschütt(Zwieback) Dummkopf
Beschüttebüll(Zwiebackbeutel) männlicher Dummkopf
Blötschkopp(Beulenkopf) Dummkopf, Tölpel
Büll(Beutel) z.B. „aue Büll“, „fiese Büll“ auch zur Verstärkung von Bezeichnungen (abfällig oder liebevoll) für Männer, z.B. Knaatschbüll, Polissebüll (Polizist), Schorittebüll (Schornsteinfeger) usw.
BreijmullBreimaul, Schwätzer; z.B auch Breijjan („Brei-Johannes“), Breijmanes („Brei-Hermann“), Breijwellem („Brei-Wilhelm“) jeweils im Sinne von Breimaul, Tölpel, Schwätzer. „Hau ding Breijmull!“
D 
DrecksackSchmutzfink, armseliger Kerl, unanständiger, übler Zeitgenosse. Ähnlich: Drecksfenk, Drecksferke, Dreckschnüzz, Drecksfrommesch, Drecks-Jong, Drecksou, Dreckspöngel u.a.
DrickesDomme Drickes – (dummer Heinrich) Dummkopf; fulle Drickes – Faulpelz
Drööemeldier(schläfrig arbeitendes Tier) unentschlossener, langweiliger Mensch. Ähnlich: Dröömeler, Drööseler
DuemjroefLausewanst, Taugenichts, Bengel
DusselkoppDuselkopf, gedankenloser Mensch; ähnlich: Dusseldier
E 
Elftrappejesech„Elftreppengesicht“ Armesündergesicht (von den elf Treppenstufen am Rathaus, die zum Galgen führten)
F 
FallderaLeichtfuß
FantassPhantast, Spinner
Fenneksfötzer(Pfennigsfurzer) Geizkragen, Knauser
Ferkenswellem(Schweine-Wilhelm) schmutziger Mensch, unmanierlicher Mensch
FilouGauner, Schuft, Heimtücker
FlabbesLäppischer Mensch
FlabbinesHanswurst, alberner Mensch
Fleddig, fleddelig, fleddije(flätig) schmutzig, nachlässig, unflätig („Deä hat en fleddije Mull ajene Kopp“) oft nicht so stark, z.B. fleddelije Wenkbüll; zur Verstärkung anderer Kraftworte; ofleddig – unflätig, häßlich
Föttchesföihler(Arschfühler), Grapscher
FottesDummkopf, Tölpel
FuutelBetrügerisches Weibsmensch
FuutelerPfuscher, Betrüger
H 
Hoddelekriemer(Lumpenhändler), schlecht Gekleideter
Hoddelemull(„Lumpenmaul“) eine/r mit losem Mundwerk
Hölleböll(es)Schwerfälliger Mensch
Horiiß, HuuriißFastnachtsnarr
J 
JecketHansnarr
K 
KabänesFüllige, klotzige Person oder Sache
Klüttekopp(Kohlenkopf) Tölpel
Kluumelunsaubere, nachlässige Weibsperson; auch: Knumel
KnaatschbüllQuengeler (ähnlich: Knaatchkopp)
Kniisbüll(Zankbeutel) Stänkerer, auch: Geizhals
KniiskoppVgl. Kniisbüll
KniisuhrVgl. Kniisbüll
KniisterbüllBastler
KnallkoppKnallkopf
Knotterpott, KnotterbüllMürrische Mannsperson, Nörgler
Knuddelebäcker, KnuddelSpottname für Bäcker
KnüllebüllGeizkragen
KrauvouelEiner aus dem Pack, Gesindel (Krau – Krätze, Pöbel, Gesindel)
Kröetschkleiner Kerl
Kuutenelles(Rotzkornelius) Rotznase, Rotzlöffel (Nelles – Kornelius)
L 
Labbes(Laffe) Lümmel, einfältiger Mensch, großgewachsener Junge (wie Lööres)
Lööresgroßgewachsener Junge (mit zärtlichem Unterton)
M 
MakroeZuhälter
Makrittelkleiner Zuhälter
MullefluppesEin Redseliger, Schwadronör; auch: Mullefluppet
Mullejan(Mauljohannes), vgl. Mullefluppes
N 
NaserinesEin Langnasiger, Neugieriger
NieresWerner, Reiner; Straßenoriginal (auch der Aachener Puppenbühne)
O 
Oes(Aas) Luder, domm Oes, (kann auch löblich oder als überraschend gebraucht sein – „Oes noch!“)
Ömstandskriemer(Umstandskrämer) umständlicher Mensch
P 
Paijas, PajassHanswurst
PanschhonkGeizhals (ähnlich: Panschet – eigennütziger, nur auf seinen Bauch – Pansch – bedachter Mensch)
PaasemanderEin unordentlicher Nichtsnutz
Piif, Piifekopp(Pfeifenkopf) Pfeife- mit Nebensinn wie im Hochdeutschen
Pitt„Peter“; aber auch i.S. von Krau
PlackkoppGeizhals
Prent, stif Prent„steife Printe“ ein steifer Mensch
PratschmullBreimaul, (ähnlich: Breimull)
PrüttschmullSchandmaul
PrüttschmamsellDickes, watschelndes Weib
PrüttschmarieUnbeholfene Watscheltrine
PuffelebäckerLiebevolle oder spöttische Bezeichnung für Bäcker
PummelDickes Mädchen
R 
Reänpitt, ReänvouelRegenpeter, Regenvogel, Tagedieb, Strolch
S 
SchatullAlte Schachtel, alte Frau
SchauterSpaßvogel, Tölpel
ScheälSchielauge
ScheijfSchiefer Lump
Schennoes„Schindaas“, Schalk
Schlaatevouel, Schlaat(Salatvogel), Schlaumeier
Schlaatemull, Schlaat(Salatmaul), Plappermaul
Schlampampelnachlässige Person
Schlubbejupp, Schlubb(Pantoffeljosef) ein Mann ohne Energie
Schrappnell(wohl Granate), abfällige Bezeichnung für „grantige“ „granatige“, energische Weibsbilder
Stiefsteifer Klotz
Schusselgedankenlose Person
SchwadlappSchwätzer
StüütebüllAufschneider
StenkbüllStinker
SchwadronöörGroßmaul
T 
Tünnesein Kleingeistiger
Tüütedriehner(Tütendreher), Faulpelz
TuppesDummkopf, ein Kleingeistiger
V 
VolletVoller, Betrunkener
W 
Waschwievooet Waschwiev „altes Waschweib“, Schwätzerin
Wenkbüll(Windbeutel), Luftikus

Das Urheberrecht befindet sich bei Dr. Peter Kickartz. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit seiner Genehmigung. Die Kontakdaten sind bei der cai-Geschäftsstelle erhältlich.

Gender-Hinweis

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d). Sämtliche Personenbezeichnungen gelten daher gleichermaßen für alle Geschlechter.